Warum Print eine Renaissance in der Modeindustrie einleitet

In Zeiten der digitalen Reizüberflutung besinnen sich Modemarken wieder auf die Bedeutung von Printmedien

Die Modewelt entdeckt die Vorzüge von Print wieder: Große Namen wie die Zeitschrift Elle kehren an die Kioske zurück, und weitere Marken wenden sich Katalogen zu, um digitalmüde Kunden anzusprechen.

Elle wird nächstes Jahr in Australien wieder in gedruckter Form erscheinen – vier Jahre nach der letzten Ausgabe. Der digitale Erfolg des Magazins war in den vergangenen Jahren nahezu spektakulär. Jane Huxley, CEO des Elle-Verlages Are Media, nennt die Wiederbelebung der Leserschaft von Printmagazinen und einen florierenden Luxus-Werbemarkt als Hauptgründe für die Wiedereinführung einer Printausgabe.

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Inzwischen wissen auch die Modemarken selbst die Vorteile von Print zu schätzen. In Deutschland hat der Modehändler Adler nach 14 Jahren Pause kürzlich wieder einen 64-seitigen Katalog für seine Kunden eingeführt, während der Mode- und Lifestyle-Riese OTTO ebenfalls gedruckte Kataloge in seine E-Commerce-Aktivitäten integriert. Im Vereinigten Königreich hat die alteingesessene Familienmodemarke Boden einen wiederbelebten Versandkatalog in Vorbereitung, während das trendige Kaufhaus Selfridges im September die Yellow Pages auf den Markt brachte – eine Mischung aus Katalog und Magazin.

 

Ein etwas anderes Kundenerlebnis

Für den Relaunch von Elle gibt es laut Huxley vor allem zwei Gründe: die anhaltende Stärke von Elle als Trendsetter und die Ermüdung der Verbraucher von dem, was sie als "digitale Flut" bezeichnet.

"Die Leute reagieren auf die Reizüberflutung digitaler Inhalte, indem sie sich zurücklehnen und sagen: 'Hey, ich möchte eigentlich nur, dass das richtige für mich ausgewählt wird. Ich möchte einfach, dass jemand die Arbeit übernimmt und mir hilft zu verstehen, was relevant, kontextbezogen und real ist'"

Jane Huxley, CEO des Elle-Verlages Are Media
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Die neue Elle wird im März 2024 auf den Markt kommen, eine weitere Ausgabe folgt im September, und ab 2025 wird das Magazin vierteljährlich erscheinen. Diese geschäftliche Zuversicht beruht auf dem starken Interesse der Anzeigenkunden. "Das Luxussegment liebt Print", sagt Huxley. "Sie lieben es auch, unser Publikum über unsere digitalen Websites und sozialen Netzwerke zu erreichen, aber sie lieben eine dicke Hochglanzseite mehr als alles anderen."

Der Gründer von Boden, Johnnie Boden, sagt, dass er eine Reihe von Kunden hat, die es vorziehen, sich von der digitalen Welt abzuwenden und stattdessen einen gedruckten Katalog zu erhalten.

"Manche lassen sich ganz von Katalogen inspirieren, andere von digitalen und wieder andere von beidem. Der Katalog wird also immer eine Rolle spielen. Denn das Blättern in einem Katalog ist entspannter als der Blick auf einen Computerbildschirm."

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Dies wird durch die Erfahrungen von OTTO in Deutschland bestätigt. Die Entwicklung der digital kommerziellen Infrastruktur führte in den letzten Jahren dazu, dass der allumfassende Mammutkatalog der Marke eingestellt wurde. Dennoch setzt OTTO weiterhin auf  die Katalogproduktion – wenn auch in abgespeckter Form, die auf segmentierte Verbraucherpräferenzen zugeschnitten ist.

Es scheint, dass solche Kunden nach einer Alternative zu digitalen Bildern und Werbung suchen, denen sie pausenlos ausgesetzt sind.

"Online-Shopping ist zeitaufwändiger geworden, was die Click-to-Buy-Bequemlichkeit, der wir anfangs alle verfallen sind, in Frage stellt. Es gibt zu viel Auswahl. Wenn man bei Net-a-Porter nach einem "schwarzen Kleid" sucht, erhält man über tausend Ergebnisse."

Alexandra Zagalsky, Modejournalistin

 

Die Anpassungsfähigkeit von Printmedien

Diesem digitalen Wirrwarr eine Alternative zu bieten, ermöglicht eine großartige Chance, Kunden zu locken.

"Ein schönes Buch, das auf der Fußmatte landet, ist oft wirkungsvoller als eine Überflutung mit E-Mails, Werbung auf sozialen Kanälen und aufdringlichen SMS"

Lee Cooper, Kreativdirektor der Luxusstrickwarenmarke WoolOvers

Der neue Selfridges-Katalog, der auf den Namen des Telefonbuchunternehmens Yellow Pages anspielt, hat ein breiteres Aufgabengebiet. Er bietet nicht nur Kleidung zum Kauf an, sondern dient auch als Verzeichnis für die besten kulturellen Veranstaltungen.

"Wir helfen den Kunden, direkt zu den 'guten Sachen' zu gelangen"

Laura Weir, Executive Creative Director bei Selfridges
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Andere Marken gehen über die traditionelle Rolle des Katalogs als Versanddienstleister hinaus (viele haben nicht einmal ein Bestellformular) und nutzen ihn stattdessen als Kontaktpunkt mit ihren Kunden. "Ich wollte meinen Kunden ein abgerundetes Einzelhandelserlebnis bieten, eine langsamere Art des Einkaufens, was sie im Laufe der Zeit genießen, losgelöst von der Hektik auf sozialen Medien und des Online-Handels ", sagt Deryane Tadd, Gründerin des Damenbekleidungsgeschäfts The Dressing Room im britischen St Albans. Ihr Katalog bietet ihren Kunden die Möglichkeit, Zeit mit ihren Produkten zu verbringen.

"Es ist ein großes Unterfangen für ein unabhängiges Unternehmen. Aber die Ergebnisse sind bisher wirklich positiv - und wir übertreffen den Branchendurchschnitt bei der Rendite bei Weitem."

Deryane Tadd, Gründerin des Damenbekleidungsgeschäfts The Dressing Room

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